FABTALKS #1 - FASHION UND BUSINESS: EINE LOVE-HATE RELATIONSHIP?
Posted on 15 December 2014
Die ersten FABTalks fanden in der neu eröffneten C/O Galerie im Amerika Haus statt. Stephan Erfurt, CEO der C/O Galerie, Frank Wiethoff, Regionalvorstand Ost von KPMG und Andrea Bury, CEO von ABURY, begrüssten die Gäste kurz, bevor es direkt in die Ausstellung ging. Eine persönliche Führung vermittelte intensive und emotionale Einblicke in das Leben und Arbeiten des Fotografen Will McBride sowie in die Ausstellung Magnum .
Danach erwartete die ca. 30 Gäste ein vegetarisches Buffet im Café der Galerie – wo dann schliesslich auch die Talks stattfanden. Andrea Kolb führte am Beispiel der an diesem Tag veröffentlichten Erklärung der Bread+Butter zur Aufgabe in das Thema ein.
TALK 1: CLAUDIA ROGGENKAMP, EHEMALIGE EIGENMARKEN- GESCHÄFTSFÜHRERIN BEI ZALANDO UND NUN ALS FREIE BERATERIN.
Sie betrachtete den Markt aus der Sicht eines Jungdesigners und fasste zusammen, was die Fashion-Industrie so komplex macht.
1. Hohes Risiko: Der Designer schliesst eine Wette darauf ab, was läuft. Heisst – die Produktion muss vorfinanziert werden, Investoren müssen oft überzeugt werden, um die Finanzierung sicherzustellen.
2. Nötiges BWL-Wissen: Kollektionsentwicklung und Produktion, Preisgestaltung, etc. – dies geht alles weit über eine kreative Leistung hinaus.
3. Vertrieb und Marketing: Das große und komplexe Portfolio an Möglichkeiten, über offline im eigenen Store, offline über Dritte und zahlreiche stetig zunehmende Online-Möglichkeiten, macht die Auswahl des jeweils richtigen Vertriebskanals schwierig.
4. Restevermarktung: Wenn diese Schritte durchlaufen sind, kann es bei einer Fehleinschätzung des Marktes zu Überbeständen kommen, die ein kleines Unternehmen ohne finanzstarken Partner zerstören können. Daher spielt auch die Restevermarktung eine weitere wichtige Rolle.
Abschließend fasst sie kurz zusammen, welche Eigenschaften benötigt werden, um im Fashion-Business zu bestehen:
Unternehmerisch Denken, mutig sein, aus Fehlern zu lernen, Risiken so klein wie möglich halten, fehlende Kompetenzen von außen dazu holen, verkaufen lernen.
TALK 2: SEBASTIAN PAAS, PARTNER BEI KMPG IM BEREICH CONSULTING SEIT 17 JAHREN, BERÄT HANDELS- UND KONSUMGÜTER-UNTERNEHMEN U. A. AUCH EINIGE GROSSE FASHION BRANDS UND MODEHÄUSER, ZUSÄTZLICH IM BEREICH INNOVATIONSMANAGEMENT AKTI
Er teilt zuerst zwei der wichtigsten Insights einer grossen KPMG Studie des Fashion-Marktes in Berlin:
1. Berlin hat mit über 3700 Modeunternehmen mit einem Gesamtumsatz von weit über 2 Milliarden Euro eigentlich die perfekten Voraussetzungen die Modehauptstadt Deutschlands zu werden. Doch der Markt ist stark fragmentiert und diversifiziert. Als einen Grund sieht er fehlendes Clustering und eine fehlende Plattform zum Austausch zwischen Händlern, Designern, Herstellern usw.
2. Geringe Digitalisierung: Kaum vorhandene Digitalisierung vieler Händler, geringer Reifegrad bei Designern und in der Messeszene, die vergleichsweise wenig additive Services anbietet. Klassische Online-Händler wie Zalando und einige Berliner Start Ups sieht er als positive Beispiele für eine hohe Digitalisierung. Paas beschreibt die Unausgewogenheit dieser digitalen Durchdringung als signifikant für den Berliner Modemarkt und als eines der größten Hindernisse, warum der Markt trotz dem großen Volumen nicht richtig zusammen geführt werden kann. Er prognostiziert einen zukünftig immer stärkeren Bedarf an Digitalisierung.
Zum zweiten betrachtet er Liebe und Hass im Zusammenspiel von Fashion und Business. Als die HASS-Dimension bezeichnet er den immer zunehmenden Kostendruck und im Gegensatz dazu, Innovation als LOVE-Dimension. Doch auch hier sieht er ein Problem, denn für Innovationen braucht es seiner Meinung nach Geld, Zeit und Freiheit und dieses ist unter Kostendruck schwierig. Als Lösung beschreibt er Zusammenschlüsse und das Teilen von Wissen. Die meisten erfolgreichen Innovationen entstehen heutzutage selten individuell, sondern durch den Zusammenschluss vieler Einzelideen. Daher sieht er einen starken Bedarf an Plattformen, die diese vielen kleinen Ideen zusammenbringen, und hofft dass sich die FAB Talks zu einer solchen entwickeln.
Diskussion:
Zu Beginn stand die Frage, was Sebastian Paas unter Digitalisierung versteht:
1. Excellence bei internen Prozessen, wie z.B. technische Unterstützung für Vertrieb und Beschaffung
2. Herbeiführung von additivem Service wie z.B. Modeberatung, Stempel für Nachhaltigkeit
3. Fortwährende Innovation und Veränderung.
Dann ging die Diskussion in Richtung der Frage der Ausbildung junger Designer – werden sie überhaupt richtig vorbereitet? Die Frage an einen Lehrenden einer Modeschule macht klar, dass unternehmerische Kenntnisse nur eine sehr kleine Rolle in der Ausbildung von Designern spielen. Das eigentliche Ziel der Ausbildung ist es, jungen Menschen beizubringen, wie man Kleider macht. Um den Idealvorstellungen zu entsprechen, müsste die Ausbildung um etwa zwei Jahre verlängert werden. In der Diskussion kommt man zum Schluss, dass junge Designer die sich selbstständig machen wollen, zum Unternehmer werden müssen oder sich einen Kaufmann als Partner suchen sollten.
Es kommt die Frage auf, ob die Schwierigkeit für Jungdesigner vielleicht ein deutsches Problem ist, da zum Beispiel in der UK Designer genau in diesen unternehmerischen Bereichen von der Regierung unterstützt werden.
Austausch und Benchmarking könnte weiterhelfen, sowohl innerhalb der Modebranche als auch mit anderen Industrien. Viele Designer lassen sich aber nicht gerne in die Karten schauen und bleiben lieber für sich.
Elke von Dawanda zeigt ein positives Beispiel auf, wie ein solches Miteinander funktionieren kann. Denn genau das Miteinander ist einer der Erfolgsfaktoren von Dawanda. Als Marktplatz für junge Designer, wird diesen hier die Möglichkeit gegeben, sich mit wenigen Kosten eine Marke aufzubauen. Dies funktioniert so gut, dass einige Designer mit Dawanda Millionenumsätze machen ohne eine eigene Website zu besitzen oder sogar aus Dawanda hinauswachsen, da sie dadurch eine so große Bekanntheit erreicht haben.
Nach spannenden und anregenden Stunden lösten sich die diskutierenden Grüppchen erst auf, als das Café zu machte! Wir uns auf viele weitere FAB TAlks mit kontroversen und intensiven Gesprächen.